E-Scooter

E-Scooter – Die letzten Meter

Nicht erst seit der Auseinandersetzung mit dem Klimawandel wird nach Alternativen zu Verbrennungsmotoren gesucht. Bereits 1896 wurden in den USA die ersten Fahrzeuge mit Elektroantrieb gebaut. Zum gleichen Zeitpunkt entwickelte auch schon Ferdinand Porsche einen Hybrid-Motor. Hybrid-Motoren werden im Serienautomobilbau eingesetzt, um unter anderem den Verbrauch fossiler Kraftstoffe zu verringern. Der vollständige Verzicht auf den Verbrennungsmotor scheiterte bei größeren Fahrzeugen in der Regel noch immer an der nötigen Leistungsfähigkeit der Batterien.

Reine Elektromotoren lassen sich jedoch schon seit längerem kleiner und auch relativ leistungsstark herstellen und so lag es bei einigen Entwicklern offensichtlich nahe, den Elektroantrieb auch für Fahrräder und Kleinkrafträder zu nutzen. Seitdem sind Pedelecs, S-Pedelecs und e-Bikes auf dem Markt und der Gesetzgeber sah sich veranlasst, neue Regelungen für die Nutzung dieser „Hybrid-Fahrzeuge“ zu schaffen.

Der neuste Trend sind Tretroller mit Elektroantrieb. Es mag vielleicht etwas verwundern, dass elektrisch betriebene Tretroller inzwischen einen Boom erleben, aber immer mehr Menschen erkennen den Nutzen eines solchen Gefährts: Viele entscheiden sich gegen die Anschaffung eines eigenen Autos. Gründe hierfür sind häufig die Kosten und die Probleme, einen Parkplatz zu finden. Auch ist in vielen Städten die Anbindung an den öffentlichen Nahverkehr sehr gut. Aber: Die letzten Meter zwischen dem Bahnhof und dem Ziel kosten häufig die Zeit, die man durch die eingesparte Parkplatzsuche erspart hat. Der zusätzliche Einsatz eines Fahrrades könnte helfen, aber Fahrräder sind sperrig, die Mitnahme in Bussen ist nicht erlaubt und in der S- oder U-Bahn ist meist ein Aufpreis fällig. Ein Klappfahrrad könnte die Lösung sein, aber weitaus attraktiver ist da ein Elektrotretroller. Und weil sich in der Werbung „hip-sein“ gut verkaufen lässt, heißen die Fahrzeuge nicht mehr Tretroller, sondern e-Scooter und sie werden vorzugsweise sowohl von Männern im Anzug als auch von „coolen Hipstern“ gefahren. Das Umdenken in Zeiten des Klimawandels als auch die Werbung haben somit den e-Scooter zu einer echten Alternative werden lassen.

E-Scooter sind praktisch: Sie entlasten den urbanen Verkehr, wiegen nur ein paar Kilogramm, sind leise und wendig, hinterlassen keine Abgase und lassen sich bei Nichtgebrauch einfach umhängen oder in den Rucksack stecken. Gute e-Scooter kosten zur Zeit 2.000 – 2.500 €. Mit einer Batterieladung lassen sich 15-30 Kilometer bei Geschwindigkeiten von bis zu 25 km/h zurücklegen. Das einzige Problem ist: Die Benutzung solcher e-Scooter ist in Deutschland gegenwärtig noch verboten. Betriebserlaubnis, Fahrerlaubnis und Versicherungsschutz sind notwendig. Aber eine Zulassung solcher Roller gibt es bislang nicht und wer mit einem solchen Roller öffentlichen Straßengrund befährt, macht sich strafbar. Der deutsche Gesetzgeber muss nämlich erst noch klären, ob mit einem Elektrotretroller Straßen, Radwege oder Gehwege befahren werden dürfen, ob die Nutzung eines Helms und eine Versicherungspflicht vorgeschrieben werden sollen und ob der Roller über eine zweite Bremse, Beleuchtung und Blinker verfügen soll.

In Ländern wie der Schweiz, Österreich, Russland, Israel, Finnland, Schweden und den USA sind e-Scooter schon längst erlaubt und im Straßenbild zu sehen. Ähnlich wie im Pkw- oder Fahrradsektor (z. B. car-2-go oder deezer nextbike) boomt dort inzwischen auch schon der Verleih von e-Scootern.

In Deutschland hinkt man deutlich hinterher. Das Bundesverkehrsministerium gab 2014 eine Studie in Auftrag, die die damals erhältlichen, aber nur auf Privatgelände einsetzbaren Elektrofahrzeuge klassifizieren und zulassungsfähig machen sollte. Erst im Mai 2017 lagen die Ergebnisse vor. Auf eine Anfrage der Grünen teilte die Bundesregierung mit, dass man "die Verwendung umweltfreundlicher Verkehrs- und Fortbewegungsmittel, auch im Sinne einer neuen Mobilitätskultur, begrüße". Seit Ende Oktober 2018 liegt ein 40-seitiger Entwurf einer Verordnung für die „Fahrzeugklasse der Elektrokleinstfahrzeuge“ vor. Vorgesehen ist, dass e-Scooter mit bis zu 20 Kilometern pro Stunde auf Fahrradwegen fahren. Gibt es keinen Radweg, müssen sie laut Verordnung auf die Straße ausweichen. Gehwege sind tabu. Die elektrischen Tretroller müssen mit einer Lenk- oder Haltestange, zwei voneinander unabhängigen Bremsen, nach vorne und nach hinten wirkenden Fahrtrichtungsanzeigern (Blinkern) und „einer helltönenden Glocke“ ausgestattet sein. Helme sind nicht vorgeschrieben. Die kleinen Roller brauchen außerdem eine Versicherungsplakette (ähnlich wie bei Mofas). Der Fahrer muss  mindestens 15 Jahre alt sein und einen Mofa-Führerschein oder eine andere Fahrerlaubnis besitzen. Andere sogenannte „Last-Mile-Scooter“ wie Skateboards mit Elektromotor, Monowheels oder Hoverboards sollen weiterhin auf öffentlichen Straßen verboten bleiben.

Mit Bekanntwerden des Entwurfs kam allerdings Kritik an einer möglichen Überregulierung auf. Für die e-Scooter bedeutet die Radwegbenutzungspflicht, dass sie auf diesen Wegen u. a. mit langsameren Fahrrädern, aber auch mit schnelleren e-Bikes unterwegs sind. Der Allgemeine Deutsche Fahrrad-Club (ADFC) warnt deshalb vor chaotischen Zuständen. Deutsche Radwege würden nicht einmal für die sichere Abwicklung des vorhandenen Radverkehrs reich. Mit dem Hinzukommen der e-Scooter werde es deutlich mehr Unfälle geben. Die Bundesregierung müsse für hunderttausende Kilometer neuer Radwege mit top-gepflegtem Belag und Überholbreite sorgen.

Kritiker des Entwurfs fordern auch ein Anheben der Höchstgeschwindigkeit der Tretroller auf 25 km/h und den Wegfall der Versicherungspflicht mitsamt Kennzeichen. Nur so sei sichergestellt, dass die Fahrzeuge im innerstädtischen Verkehr eine emissionsarme Alternative zu anderen Verkehrsmitteln darstellen. Das sieht auch der TÜV so. Elektro-Tretroller seien Teil des zukünftigen Mobilitätsmixes in unseren Städten und sollten so flexibel und praktikabel wie möglich reguliert werden. Sie seien eine sinnvolle Ergänzung zu anderen Verkehrsmitteln, um kürzere Distanzen in einem urbanen Umfeld zurückzulegen.

Auch wird die Versicherungspflicht als Ärgernis gesehen. Es müsste am Tretroller ein Versicherungskennzeichen angebracht werden, wie man es von Mofas kennt. Damit ein solches Schild am Tretroller nicht stört, ist die Anbringung eines Klebeschildes geplant, das nur rund ein Viertel so groß ist, wie das normale Blechschild. Dieser Aufkleber soll unterhalb der Rückleuchte sitzen und eine eigene Beleuchtung bekommen. Es dürfte aber dennoch kaum zu lesen sein.

Experten fordern auch eine strengere Überprüfung der Elektronik und Batterien, denn da bei e-Scootern in der Regel besonders leistungsfähige Hochenergiezellen zum Einsatz kommen, besteht ein erhöhtes Risiko, dass die Stromspeicher überhitzen oder andere Defekte entstehen.

Auf Grund der genannten Kritikpunkte hat das Bundesverkehrsministerium mitgeteilt, dass an Änderungen des Entwurfs gearbeitet werde. Nachgedacht werde über die Versicherungspflicht und die Blinker sowie über eine Ausnahme für Fahrzeuge, die keine Lenk- oder Haltestange haben.

Aktueller Stand 03.04.2019:

Das Bundeskabinett hat die sogenannte "Verordnung für Elektrokleinstfahrzeuge" beschlossen. Nun muss noch der Bundesrat zustimmen. Erwartet wird dies für Mitte Mai.

Folgendes sieht der aktuelle Beschluss vor:

  • Es soll zwei Roller-Kategorien geben (unter 12 km/h und 12–20 km/h).
  • Eine Führerschein- und Helmpflicht besteht für beide Kategorien nicht.
  • Die langsamere Roller dürfen ab zwölf Jahren auf Gehwegen und gemeinsamen Geh- und Radwegen gefahren werden.
  • Für die schnelleren Roller besteht eine Radwegbenutzungspflicht.
  • Sind Geh- bzw. Radwege nicht vorhanden, darf die normale Fahrbahn befahren werden.

Der Handel steht ebenso wie die zukünftigen Verleiher von e-Scootern schon in den Startlöchern. Wie bei den Leihrädern kann ein Überangebot aber auch zu einem regelrechten Ärgernis führen, denn in Washington stehen die Leih-Tretroller inzwischen an jeder Ecke, teilweise mitten auf den Bürgersteigen, und stören zunehmend die dortigen Anwohner.